Perseiden

Ich erkenne seine Stimme an meinem Handy sofort. Er klingt traurig. „Morgen geht der Flieger zurück. Schenkst du mir diesen letzten Abend, damit ich eine Erinnerung mitnehmen kann?“
Natürlich verabrede ich mich mit ihm. An dem Tisch im Biergarten, der im vergangenen Monat zu unserem wurden, unter den mächtigen Kastanien, sitzen wir und halten Händchen. Wir lassen die letzten Wochen noch einmal aufleben, erzählen uns gegenseitig, wie wir uns kennenlernten, tauschen uns über unsere Empfindungen aus. Ich wünschte, die Zeit bliebe stehen, doch die untergehende Sonne zeigt, wie sie verrinnt. Zu Beginn ist die Welt in Gold getaucht, dann entstehen die ersten rosaroten Streifen am Himmel, schließlich bietet sich uns ein Spektakel aus orange, kardinalrot und magenta. Es wirkt so dramatisch, wie ich mich fühle.
Im verlöschenden Licht neigt er sich zu mir. Sein Gesicht nähert sich, bis der Atem mich streichelt. In einer hilflosen Geste hebe ich die Hand, um ihn aufzuhalten.
„Warum?“
Weil ich weiß, er verlässt mich morgen. Einmal seine Lippen auf meinen fühlen und ich werde dieses Gefühl nie vergessen. In mir ist ein Geräusch, als würde das Herz in der Brust zerspringen, die Gedanken summen wie Bienen hinter der Stirn. Gleichzeitig frage ich mich, warum ich so lange gewartet habe. Ich sehne mich schon eine Ewigkeit danach.
Wartet man zu lange, steigern sich die Erwartungen ins Unendliche. Nicht hier, mit ihm. Die Berührung übertrifft alle Vorstellungen. Muss ich ihn wirklich loslassen?
„Würde eine Sternschnuppe fallen, ich wüsste, was mein größter Wunsch ist“, wispere ich.
„Mir geht es ebenso.“
Mein Kopf lehnt an seiner Brust. Als der Meteorstrom sich der Erde nähert, sehen wir unzählige Lichter. Ich denke jedes Mal dasselbe.